Teil 1
- Was bedeutet bedüfnisorientierte Eingewöhnung und warum ist es wichtig?
- Wer ist an dem Prozess beteiligt und was sind die Aufgaben?
Der Eintritt in die Krabbelstube, den Kindergarten oder zu den Tageseltern stellt für viele Kinder den ersten Schritt in eine außerfamiliäre Umgebung dar. Sie betreten einen neuen Raum, der ihnen unbekannt ist und in dem sowohl Erwachsene als auch andere Kinder sind, die sie noch nicht kennen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Eingewöhnung ausreichend Zeit erhält, damit die Kinder die neue Umgebung sowie die neuen Bezugspersonen und Spielkameraden kennenlernen können.
Im Mittelpunkt steht der Aufbau von Beziehungen, denn nur wenn sich das Kind sicher und geborgen fühlt, kann es lernen und die Räumlichkeiten mit Neugier und Freude erkunden.
„Der Anfang ist wichtig und hinterlässt Spuren“
Jeder Schritt in unserem Leben hinterlässt bleibende Spuren. Die Emotionen, die während dieser Zeit entstehen, die Beziehungen, die geknüpft werden, und die Herausforderungen, die gemeistert werden, formen unsere zukünftige Wahrnehmung und Einstellung.
Ein gelungener Start kann das Fundament für Vertrauen und Sicherheit legen, während schwierige Anfangserlebnisse Schatten werfen und Unsicherheiten hervorrufen können. Es ist daher essenziell, diese Phase mit Achtsamkeit und Empathie zu gestalten, um positive Spuren zu hinterlassen, die nachhaltig wirken.
Das Kind lernt, dass es eine herausfordernde Situation positiv bewältigen kann und nimmt diese wertvollen Erfahrungen für das gesamte Leben mit.
Ich möchte dich zu einer Selbstreflexion einladen.
Reflektiere deine Neuanfänge und / oder Veränderungen und schau welche Spuren bei dir hinterlassen wurden.
Was bedeutet bedürfnisorientierte Eingewöhnung und warum ist es wichtig?
Eine bedürfnisorientierte Eingewöhnung bedeutet, dass der Prozess individuell auf das Kind und seine Bindungsperson abgestimmt wird. Dies erfordert ein hohes Maß an Feingefühl und Empathie seitens der Elementarpädagog*innen oder Tageseltern, um eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Es ist entscheidend, sich die Zeit zu nehmen, um sowohl für das Kind als auch für die Bindungsperson einen erfolgreichen Start in der Bildungseinrichtung oder bei den Tageseltern zu ermöglichen.
Im Mittelpunkt der bedürfnisorientierten Eingewöhnung steht das psychische Wohlbefinden des Kindes. Kindliche Stresszustände sollten durch Begleitung der Erwachsenen verringert und abgebaut werden – das Kind wird co-reguliert. Dies stärkt den Aufbau von kindlichen Vertrauen und ist die Basis einer guten Beziehung. Der Fokus der Erwachsenen soll beim Kind sein, um es in dieser neuen Lebenssituation feinfühlig, empathisch und gelassen zu begleiten.
Eine positiv erlebte Eingewöhnung hat weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Übergänge im Lebensverlauf, etwa in Kindergarten, Schule oder Beruf. Kinder, die diese Erfahrung erfolgreich gemeistert haben, entwickeln Strategien und speichern positive Emotionen, die ihnen die Eingewöhnung in neuen Lebensbereichen erleichtern.
Wer ist an dem Prozess beteiligt und was sind die Aufgaben?
An diesem Prozess sind das Kind, die Bindungsperson – meist die Eltern – sowie das pädagogische Personal, wie Elementarpädagoginnen, pädagogische Assistenzkräfte oder Tageseltern, beteiligt.
Pädagogisches Personal + Bindungsperson = Vertrauen aufbauen
Um eine vertrauensvolle Beziehung zu den Bindungspersonen aufzubauen, ist es essenziell, als Elementarpädagoge* in oder Tagesmutter / -vater ehrliches Interesse am Gegenüber zu zeigen, um Kontakt zu knüpfen.
Das Vertrauen der Bindungsperson in euch ist eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Eingewöhnung. Wenn die Bindungsperson kein Vertrauen zu euch hat, wird es für das Kind schwierig sein, sich auf euch einzulassen. Es ist wichtig zu bedenken, dass ihr zu Beginn für die Eltern eine fremde Person seid, die nun ihr wertvollstes Gut – ihr Kind – in die Hände nimmt. Daher solltet ihr Zeit investieren, um dieses Vertrauen aufzubauen.
Wie kann ich das Vertrauen der Bindungsperson aufbauen und positiv beeinflussen?
- Biete Schnuppernachmittage, vor der Eingewöhnung, an
- Verfasse einen persönlichen Willkommensbrief, in dem die Eltern und das Kind etwas über dich erfahren, idealerweise mit einem Foto von dir.
- Stelle ein kleines Notfallset für die ersten Tage zusammen, dass beispielsweise Folgendes enthält:
- Ein Taschentuch zum Tränen trocknen.
- Tee zur Entspannung.
- Schokolade als kleinen Trost.
- Organisiere einen Elternabend, um den Ablauf der Eingewöhnung vorzustellen und den Eltern die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen (hierzu erhältst du im 2. Teil eine Idee für die Umsetzung).
- Nimm dir während der Eingewöhnungszeit Zeit für den Austausch; zeige ehrliches Interesse und stelle Fragen zu eventuellen Verhaltensveränderungen oder dem Wohlbefinden von Eltern und Kind.
- Nimm die Sorgen und Ängste der Eltern ernst.
- Unterstütze die Eltern beim Loslassen, indem du sie darin bestärkst, eine passive Rolle einzunehmen, deine eigene Präsenz zeigst und durch Wahrnehmungsfragen herausfindest, was das Interesse des Kindes weckt oder wie es Kontakt zu dir aufnimmt.
- Kommuniziere klar über deine Gedanken, Sorgen und Wünsche hinsichtlich der Eingewöhnung.
- Beziehe die Eltern aktiv in Entscheidungen mit ein, z.B. wann die erste Trennung stattfinden soll.
Bindungsperson + Kind = Loslassen lernen
Für die Bindungsperson, in der Regel die Eltern, ist es ein spannender und herausfordernder Schritt, das Kind in eine Bildungs- und Betreuungseinrichtung zu geben. Während einige Eltern diesen Schritt beschleunigen möchten, um wieder arbeiten zu können, wünschen sich andere vielleicht, noch länger zuhause bei ihrem Kind zu bleiben, können es sich finanziell aber nicht leisten. Die Entscheidung, ob ein Kind in eine Einrichtung geht, ist oft mit viel Zeit und Überlegung verbunden. Selbst wenn diese Entscheidung gefällt wird, bedeutet das nicht, dass den Eltern der Übergang leicht fallen wird; oft gehen damit Unsicherheiten, Zweifel und Sorgen einher.
Eltern befinden sich hier in einem Spannungsfeld zwischen Bindung und Autonomie. Einerseits sehnen sie sich nach Autonomie und der Möglichkeit, wieder Zeit für sich selbst zu haben, indem sie berufstätig sind. Andererseits möchten sie die Nähe zu ihrem Kind bewahren, weil sie glauben, dass es bei ihnen am besten aufgehoben ist. Wenn eine Bindungsperson, häufig die Mutter, ein Ungleichgewicht bezüglich der Bindung empfindet, kann das Loslassen schwerfallen. Oftmals resultieren Sorgen und Zweifel daraus, ob das Kind den Übergang bewältigen kann. In diesen Fällen geht es oft weniger um das Kind selbst, sondern vielmehr um die Mutter, die möglicherweise noch nicht bereit ist, loszulassen, weil sie selbst die Nähe zum Kind benötigt. Hier ist oftmals ein mangelndes Zutrauen und Vertrauen in das Kind vorhanden.
Daher ist es für Pädagoginnen oder Tageseltern wichtig, sensibel zuzuhören, zwischen den Zeilen zu lesen und herauszufinden, ob bei den Eltern Unsicherheiten bestehen, die gehört werden möchten. Kann die Bindungsperson nicht loslassen, hat dies Einfluss auf die Eingewöhnung, da es dem Kind erschwert wird, sich in die neue Situation einzufinden. Hier braucht es ein klärendes, wertfreies und offenes Gespräch mit der Bindungsperson.
Es ist wichtig und kann sehr hilfreich sein, dass sich die betroffene Person mit ihrem eigenen Thema „Loslassen“ auseinandersetzt, um Klarheit zu erlangen. Der Prozess braucht Klarheit, und Verantwortungsbewusstsein, damit er gelingen kann. In manchen Fällen entscheidet sich die Bindungsperson, die Eingewöhnung abzubrechen, weil sie sich nicht bereit fühlt. Das ist vollkommen in Ordnung.
Vertrauen in den Prozess ist unerlässlich.
Kind + pädagogisches Personal = Beziehungsaufbau
Die Kontaktaufnahme und der Aufbau einer Beziehung zum Kind sind wichtige Aufgaben des pädagogischen Personal in einer bedürfnisorientierten Eingewöhnung.
In den ersten Tagen ist es für mich wichtig, dem Kind die Zeit und den Raum zu geben, von sich aus den Kontakt zu suchen. Das bedeutet, dass das pädagogische Personal zu Beginn eine passive Rolle einnimmt und sich auf den Vertrauensaufbau mit der Bindungsperson konzentriert. Wenn das Kind den Kontakt sucht, reagiere darauf und erwidere die Kontaktaufnahme.
Wenn das Kind öfter Kontakt zu dir aufnimmt, kannst du aktiv Spielprozesse anbieten und Interesse zeigen. Dabei integriere die Interessen des Kindes, wie beispielsweise Autos, Kuscheltiere oder Bilderbücher, in die Interaktion.
Wenn das Kind Kontakt zur Bindungsperson sucht, lasse dies zu und halte dich zurück, ohne darauf zu bestehen, dass das Kind zu dir kommen soll.
Der Beziehungsaufbau braucht Zeit, Einfühlungsvermögen und Geduld, weil jedes Kind ist individuell. In der Krabbelstube bzw. im Kindergarten kann sich das Kind die Person aussuchen, zu welcher es die erste Beziehung aufbauen möchte. Wenn das Kind die pädagogische Assistenzkraft wählt, sollte das akzeptiert werden und es ist auch gut so.
Bei der Tagesmutter / – vater hat das Kind nur eine Person, da ist es wichtig vor der Eingewöhnung gemeinsam mit den Eltern zu schauen, ob die Grundstimmung zwischen Eltern, Kind und Tagesmutter /-vater passt. Danach braucht es hier Zeit, Einfühlungsvermögen, sodass das Kind eine Beziehung aufbauen kann.
Beziehungsaufbau bedeutet:
- Kind winkt und lächelt dir beim Kommen zu
- Kind erzählt zuhause von dir
- Kind möchte mit dir Spielen
- Kind lässt sich in Stresszuständen von dir beruhigen z.B. Abschied, Sturz, …
Im 2. Teil von diesem Blogbeitrag erhälst du einen Überblick über den Ablauf der Eingewöhnung, woran du erkennst, dass das Kind und die Bindungsperson für die 1. Trennung bereit sind, 10 Tipps, die die Eingewöhnung positiv beeinflussen und eine Idee für den Elternabend.
Also lese hier weiter.